Julia Raabs Klassenzimmertheater

Sie kommen zu zweit: Sandra Bringer und Julia Raab. Die erste ist Dramaturgin und wird kurz zu den 26 Schülern der BVM.23 (Verfahrensmechaniker) sprechen, bevor sie sich ins Publikum setzt und unbemerkt die Geräusche und den Ton einspielt. Die zweite ist Figurenspielerin und wird die Klasse 45 min in Atem halten. Sie wird Johanna Lehmann, Hildegard Nagel und Krystina Wituska ihre Stimme leihen und für sie sprechen. Die drei Frauen wurden 1943/44 im Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle hingerichtet wegen Bagatellen. Als „Volksschädlinge“ bezeichnet wurden sie aufgrund der damaligen „Verordnung gegen Volksschädlinge“ vom 5.September 1939 zum Tode verurteilt. Julia Raab schlüpft durch die Verwendung von kleinen Details wie einer Brille sogar in die Rolle des Anklägers, verwendet ein Portrait, eine Maske und ein blaues Kleid, um die verschiedenen Personen darzustellen.
„Im Frühling hat man keine Lust zu sterben…“, heißt es in einem Abschiedsbrief von Krystina Wituska, einer polnischen Widerstandskämpferin, der verlesen wird und dem dokumentarischen Theaterstück, das Bringer und Raab gemeinsam entwickelten, den Namen gibt. Die Schüler sehen im Klassenzimmer gespannt nach vorn. Dann beginnt der 2.Teil: Julia Raab und Sandra Bringer – beide auch ausgebildete Theaterpädagoginnen – kommen in einem Stuhlkreis mit den Schülern ins Gespräch und mit kleinen Übungen werden diese sensibilisiert: Wie fühlt sich das an, dem Anderen genau in die Augen zu schauen oder in einem Kreis als Einzelner in der Mitte zu stehen? Auch der historische Kontext wird noch einmal besprochen. Was ist, wenn es kein Rechtssystem mehr gibt? Die Rechtsprechung willkürlich ist? Was, wenn Menschen ausgegrenzt werden? Warum hat damals kaum einer Widerstand geleistet? Die Schüler diskutieren mit. Es wird eine spannende Reflexion und ein Austausch, der wichtig ist.

Herzlichen Dank an Julia Raab und Sandra Bringer für wunderbare 90 Minuten. Danke an Ronja Hohbach, die als Respekt Coach die Aufführung über das „Respekt Coaches Programm“, das über den Jugendmigrationsdienst Bitterfeld-Wolfen angeboten wird, förderte und finanzierte.
Danke an die Schulleitung, die Raum für solche Möglichkeiten gibt.

L.Dietsch


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